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Rückstau in der Kreuzung: "Nachzügler" müssen umsichtig sein

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Jeder Autofahrer kennt diese Situation, in der man selbst bereits zahlreiche Male steckte: Man fährt bei Grünlicht in eine Kreuzung ein und kann diese aufgrund eines Rückstaus den Kreuzungsbereich nicht räumen. Guter Rat ist da teuer. Ein Gerichtsurteil sorgt dafür, dass die Schuldfrage nun wieder auf dem Prüfstein steht. Wir klären Sie auf, was Sie beachten sollten.

An viel befahrenen Kreuzungen bilden sich in der Stadt zur Rushhour immer wieder Rückstaus an Ampeln. Während der Grünlichtphase hat man es auf die Kreuzung geschafft, kommt aber nicht mehr weg, da der Querverkehr bereits Grün hat. In dieser unübersichtlichen Situation ist oftmals unklar, wer zuerst fahren darf. Als "Nachzügler" ist es immer eine unangenehme Lage: Von der Seite rollt bereits der Querverkehr an und von hinten drängeln andere "Stehengebliebene". Wer dann keinen kühlen Kopf behält und die Szenerie falsch einschätzt, hat das Nachsehen.

Die Schuldfrage

  § 1
Grundregeln
 

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Kommt es zum Unfall, muss die Schuldfrage geklärt werden. Versicherungen geben in solchen Fällen (Unfall nach Rückstau auf der Kreuzung) in der Regel beiden Beteiligten eine Mitschuld. Die Gerichte bewerten diese Verkehrsunfälle meistens deutlich: Die Hauptschuld trägt der Verkehrsteilnehmer, der bei eigener grüner Ampel in die durch Rückstau blockierte Kreuzung einfährt. In der Einschätzung war in solchen Fällen der Unfall für keinen der Beteiligten unvermeidbar. In zwei von drei Fällen hat der Schuld, der bei Grün in die Kreuzung einfährt.

In der Folge wird dann eine Haftungsabwägung vorgenommen (§ 17 StVG). Dabei wird davon ausgegangen, dass ein an sich Vorfahrtberechtigter ("Nachzügler") aufgrund des im Straßenverkehr geltenden Rücksichtnahmegebots aus § 1 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) verpflichtet ist, im Falle einer Verkehrsstauung auf sein Vorrangrecht zu verzichten, damit er zur Entspannung der verzwickten Verkehrslage beizutragen. Ein Urteil vom Oberlandesgericht (OLG) Hamm (26.08.2016; Az. 7 U 22/16) kippt die bisherige Gesetzesauslegung und nimmt die Nachzügler in die Verantwortung.

Der Fall

In einen Kreuzungsbereich fuhr eine Autofahrerin aus Essen bei Grünlicht ein und kam dann aufgrund eines Rückstaus des Linksabbiegerverkehrs hinter der Fluchtlinie zum Stehen. Nachdem die von ihr passierte Ampel schon mehr als 20 Sekunden Rotlicht zeigte, wollte sie die Kreuzung räumen. Sie ließ einige Autos aus dem kommenden Querverkehr passieren, bevor es im Kreuzungsbereich zu Unfall kam.

Den entstandenen Schadensersatz in Höhe von rund 13.900 Euro klagte die Geschädigte von dem Halter des Fahrzeugs und von dessen Haftpflichtversicherung ein. Die Versicherung glich vorprozessual zwei Drittel des Schadens der Klägerin aus. Das restliche Drittel in Höhe von ca. 4.600 Euro und weitere entstandene Nebenkosten hat die Klägerin eingeklagt. In zweiter Instanz schließlich war diese Klage erfolgreich.

Das Urteil

Die Beklagte habe in erheblicher Weise gegen das im Straßenverkehr geltende Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 Straßenverkehrsordnung) verstoßen, so der Senat. Als Nachzügler habe sie aber nicht blindlings darauf vertrauen dürfen, vom Querverkehr vorgelassen zu werden. Vielmehr habe „Stehengebliebene“ den Kreuzungsbereich vielmehr vorsichtig unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Querverkehrs mit Vorrang zu verlassen.

Dabei steigt die Anforderungen mit seiner Verweildauer im Kreuzungsbereich: Je länger sich ein „Nachzügler“ im Kreuzungsbereich aufhalte, desto eher habe er mit einem Phasenwechsel und anfahrendem Querverkehr zu rechnen, so das Gericht. Da die Beklagte unerwartet und zügig losgefahren ist, ohne auf das herannahende Klägerfahrzeug zu achten. Mit dieser Fahrweise habe sie den Unfall im erheblichen Umfang verschuldet.

Den Fahrer des klägerischen Fahrzeugs treffe demgegenüber kein Verschulden. Da die geltende grüne Ampelphase bereits über 19 Sekunden Grünlicht gezeigt hat, habe der Geschädigte auf eine freie Durchfahrt vertrauen und nicht mehr mit Nachzüglern aus dem Querverkehr rechnen müssen.

Fazit:

In jedem dritte Fall wird zulasten des Kreuzungsräumers entschieden. Das Urteil des OLG Hamm zeigt, dass Nachzügler nicht mehr automatisch einen "Freischein" nach Rückstau in der Kreuzung haben. Diese Quote könnte in der Zukunft aber steigen, wenn es nach dem Hammer Urteil künftig öfters zu tragen kommt.
Unser Tipp: Behalten Sie eine kühlen Kopf und kommunizieren Sie mit den anderen Autofahrern. Aufgrund der besonderen Komplexität auf beampelten Kreuzungen empfiehlt es sich, nach einem solchen Unfall einen Anwalt um Rat einzuschalten, um gegebenenfalls keine Nachteile bei der Schadensregulierung zu erleiden.

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